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Adam Tadeusz Bąkowski: Der Schutzengel I

Ein blasser Maimorgen. Auf dem Bahnsteig einer unterirdischen Bahn wollte ein
arm gekleideter Junge mir ein Buch in die Hand drücken. Empört durch meine Absage,
erklärte er mir, unartikulierte Klänge von sich gebend und heftig gestikulierend
– er war stumm – dass er nicht lesen könne, Bücher seien nicht für ihn,
dieses hätte er in einem Abfalleimer gefunden, und das sei kein Platz für Bücher.
So zumindest verstand ich es. Ich nahm das Buch. Es war ein Traktat über Engel.
Als ich ihm dankte, legte der versöhnte Geber die Hand ans Herz.
Hier ein Abschnitt des Buches: "Der Schutzengel ist nicht nur, wie man gewöhnlich glaubt,
ein Seelenbeistand auf dieser Welt, sondern auch ein Abbild des Menschen im Himmel.
Das, was der Engel in Fülle besitzt, hat der Mensch in Form eines seelischen Keims,
der sich entwickeln kann. Die Verbindung zwischen dem Engel und dem Menschen
hat einen teofanischen und direkten Charakter. Das Wesen der Seele erfüllt sich
durch die Offenbarung im irdischen Wesen. Aber das Kommen auf diese Welt bedeutet
auch die Entfernung von dem principium divinum."


II

Mein Schutzengel ist ein gefallener Engel.
Ich ahne seine Unbeholfenheit, seine Ohnmacht und Furcht.
Eine Rebellion kann er sich nicht mehr leisten, höchstens
Zweifel. Wann immer ich kann, eile ich ihm zur Hilfe.
Das heißt – selten. Ich bin nicht derjenige, der ihn beflügeln
könnte. Dankbar bin ich Gott für diesen Engel, denn mit einem
anderen vielleicht – mehr abverlangenden, weniger nachsichtigen –
hätt' ich es nicht leicht. Ich trinke in der Kneipe und denke,
wie angenehm doch dieser Augenblick ist, selig und ruhig,
der beste, um der letzte zu sein. (Aber gerade solche
Augenblicke wecken die Lebenslust.) Samstag.
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